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Pamela Gwynn im Gespräch: Trends in der Medizintechnik

Expertin Pamela Gwynn: Von KI in der Diagnostik bis zur Kreislaufwirtschaft – so wirken sich künftige Trends im Bereich der Verordnung über Medizinprodukte auf die Branche aus.

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Wer erfolgreich sein will, muss mit den Trends der Branche mithalten – von sich verändernden Konformitätsstandards bis zu neuen Entwicklungen in der Cybersicherheit, der Gebrauchstauglichkeit und der Nachhaltigkeit.

Um mehr Licht ins Dunkel zu bringen, haben wir mit Pamela Gwynn gesprochen. Pamela ist Principal Engineer, Consumer, Medical and Information Technology (CMIT) bei UL Solutions verfügt über langjährige Erfahrung in der Prüfung und Zertifizierung von Medizinprodukten. Im Gespräch teilt sie Ihr umfassendes Wissen über Rechtskonformität, Sicherheitsstandards und neue Trends und gibt einen Überblick über die wichtigsten Veränderungen der Branche.

F: Welche Trends in der Prüfung und Zertifizierung von Medizinprodukten können wir in den kommenden fünf Jahren erwarten?

Immer mehr Geräte aus dem Bereich, der heute eher als Wellnessmarkt angesehen wird, also beispielsweise Pulsmessgeräte in der Uhr, werden für die medizinische Versorgung und Überwachung eingesetzt werden. Demzufolge werden diese Geräte dann von der U.S. Food and Drug Administration (FDA) so behandelt werden wie das bei Medizinprodukten der Klasse II heute der Fall ist.

Dieser Trend zu häuslicher Pflege wird sich voraussichtlich noch ausweiten und damit die Krankenhauszeiten reduzieren sowie den Einsatz von Telemedizin in Kombination mit Hausbesuchen für anspruchsvollere Aufgaben erhöhen. Ein weiterer aufregender Trend ist die Nutzung von KI in der Medizin. Unternehmen arbeiten an Algorithmen, die bei der Auswertung von Röntgenaufnahmen oder digitalen Bildern helfen und dabei auch Anomalien erkennen, die ein Radiologe vielleicht übersehen hätte. Durch den Hinweis der KI kann der Radiologe dann noch einmal genauer hinsehen.

Adaptive KI-Komponenten könnten künftig Schlaganfallpatienten und mobilitätseingeschränkten Personen bei der Rehabilitation helfen. Ein weiteres Beispiel wären adaptive Exoskelette. Hier können KI-Algorithmen Patienten helfen, das Gelände zu erfassen und die Gangbewegung entsprechend anzupassen.

Die steigende Konnektivität bedeutet auch, dass die Medizinprodukte- und Gesundheitsbranche ein stärkeres Augenmerk auf das Thema Cybersicherheit lenken muss. Hier gibt es noch einiges zu tun, und die Anforderungen werden steigen.

Und außerdem fangen Medizinproduktehersteller jetzt an, sich mit Nachhaltigkeit zu beschäftigen – in absehbarer Zeit werden sie gezwungen sein, die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft anzuwenden. Sie müssen dann die Wiederverwertung von Bauteilen mit einplanen und auch überlegen, wie sich das auf die Leistung von Geräten der zweiten Generation auswirkt.

F: Wie schätzen sie die Norm EN/IEC 60601-1-2 en 2020 über elektromagnetische Verträglichkeit in der Medizintechnik und deren Auswirkung auf die Ausführung von Medizinprodukten und deren Prüfungsanforderungen ein?

Die Entwickler von Geräten beschäftigen sich schon seit geraumer Zeit mit dieser Frage. Man ist sich dessen bewusst, dass je nach Einsatzgebiet eines Geräts unterschiedliche Beurteilungsniveaus zur Anwendung kommen müssen. Patienten können sich ja entweder in einer klinischen Einrichtung oder zu Hause befinden. Wie verhält sich zum Beispiel ein tragbarer Herzmonitor im Röntgenraum? Und wie kommen zu Hause verwendete Geräte mit Spannungsschwankungen oder Stromausfällen klar?

Medizinprodukte kommen vermehrt außerhalb der Krankenhäuser zum Einsatz, und bisherige Wellnessgeräte finden sich immer häufiger im Krankenhaus – die entsprechenden Umweltfaktoren müssen auch beim Produktdesign beachtet werden.

F: Haben Hersteller irgendwelche Änderungen der Normen für Medizinprodukte oder neue Vorschriften zu erwarten?

Die größte Unsicherheit betrifft die Vorschriften zu Cybersicherheit und KI – diese werden gerade erst entwickelt. Medizinproduktehersteller müssen hier in den nächsten Jahren sehr aufmerksam sein.

F: Wie sehen Sie das Accreditation Scheme for Conformity Assessment (ASCA) der FDA? Wie reagiert die Branche auf diesen Ansatz?

Das ASCA hat die Pilotphase jetzt abgeschlossen und die Hersteller fangen an, sich mit dem Programm anzufreunden, weil es einen Mehrwert bringt: Wenn die Daten aus deinem ASCA-akkreditierten Labor kommen, geht es mit dem Review meist schneller. Die Berichte sind kürzer und weniger aufwändig, und die FDA hat die Sicherheit und Leistungsfähigkeit des akkreditierten Laboratoriums bereits bestätigt. Dadurch wird dieser Teil des Genehmigungsverfahrens gezielter und es gibt weniger Fragen zur Durchführung der Prüfungen. Das ASCA hat sich für kleine und junge Unternehmen schon bewährt, weil der Weg zur Konformität für die Entwicklung und Prüfung klarer ist. Das Programm wird immer mehr angenommen und ein steigendes Bewusstsein für die Effizienzvorteile könnten das Genehmigungsverfahren noch übersichtlicher machen.

F: Inwiefern verändern sich die Anforderungen medizinische elektrische Geräte (MEE) und medizinische elektrische Systeme (MES)?

Es gibt bis zu 100 verschiedene Normen, und das macht es für Hersteller extrem schwierig einzuschätzen, welche dieser Normen für ihre Produkte gelten. Wenn sie das erst einmal geklärt haben, müssen sie die Anforderungen an ihr Risikomanagement verstehen. Beispielsweise lassen sich durch die frühzeitige Festlegung angemessener Luft- und Kriechstrecken bereits in der Konstruktionsphase kostspielige Nacharbeiten vermeiden.

Kunden, die neu in der Medizinprodukteindustrie sind, werden allerdings nur selten eine Anfangsprüfung durchführen und ohne Nachprüfung bestehen. Die beste Empfehlung für Hersteller ist es, mit der Massenfertigung, etwa von 1.000 Widgets, noch zu warten und erst einen Prototyp im Labor testen zu lassen. So können sie herausfinden, ob sie die richtigen Normen anwenden und ob es Probleme mit der Konformität gibt. Damit können Probleme behoben werden, bevor viel Geld in etwas investiert wurde, was später wieder geändert werden muss.

Das alles gilt auch für MES. Ein MES ist eine Kombination aus Geräten und Anlagen, die gemeinsam die gewünschte Leistung erbringen sollen. Systeme, die mehrere Geräte einbinden – wie etwa ein Bildschirm mit einem therapeutischen Gerät – müssen gesamtheitlich geprüft werden, damit es nicht später zu Leckströmen oder Umweltproblemen kommt. Nehmen wir das Beispiel eines Bildschirms. Stellen Sie sich vor, der Monitor befindet sich am Patientenbett und ein Infusionsbeutel platzt und ergießt sich über das Gerät, woraufhin dieses ausfällt. Entwickler müssen sich darüber Gedanken machen, wie die einzelnen Komponenten unter Praxisbedingungen miteinander interagieren – dazu gehören auch Faktoren wie Feuchtigkeit oder eine instabile Stromversorgung.

F: Wie wirkt sich Ihrer Erfahrung nach der Trend zu häuslicher Pflege auf die Entwicklung von Medizinprodukten und die entsprechenden regulatorischen Anforderungen aus?

Die heutigen Normen gehen davon aus, dass Medizinprodukte im klinischen Umfeld von geschulten Anwendern bedient werden. Sie gehen also von einer kontrollierten Umgebung mit stabilen Temperaturen, Feuchtigkeitswerten usw. aus. Die Infrastruktur im häuslichen Umfeld ist aber möglicherweise nicht so stabil wie in der Klinik oder Arztpraxis. Hier gibt es Spannungsschwankungen, unterschiedliche Temperaturen, Staubentwicklungen und andere Einflussfaktoren. Außerdem sind die Anwender im häuslichen Umfeld nicht immer medizinisch geschult. Gebrauchstauglichkeitstest müssen deshalb auch diese Art der Umgebung und Bediener ohne medizinisches Vorwissen mitdenken – deshalb braucht es ein intuitives Design und klare Anweisungen.

In der Zukunft könnten wir regulatorische Updates und Standards für Gesundheitseinrichtungen wie den NFPA 99 – Health Care Facilities Code auch für Bereiche außerhalb von Gesundheitseinrichtungen – wie mobile Kliniken oder ambulante Praxen in Einzelhandelsgeschäften – sehen. Die Pandemie hat deutlich gezeigt, dass wir eine agile Verbreitung brauchen, und dies könnte die künftigen Normen für tragbare und modulare Versorgungslösungen beeinflussen.

F: Wie wird sich der für 2025 vorgesehene Übergang zu A2L-Kältemitteln auf Laboratorien auswirken, die Kühlsysteme einsetzen? Welche Konformitäts- und Sicherheitsüberlegungen sollten sie anstellen?

Für Komponenten, Unterbaugruppen und Geräte werden Nachprüfungen erforderlich sein. Hersteller müssen ihre Versorgungsketten für die Verwendung dieser Kältemittel überprüfen. Die gleichen Hersteller werden noch mit anderen Chemikalien, die aus Umweltschutzgründen aus dem Verkehr gezogen werden, die ähnlichen Herausforderungen haben. Normalerweise gibt es zwar eine gewisse Vorlaufzeit, aber einfach wird das sicher trotzdem nicht. Meiner Erfahrung nach ist so eine Umstellung für das Unternehmen am unproblematischsten, wenn alle gut informiert sind und Hersteller und Zulieferer proaktiv zusammenarbeiten.

 

 

UL Solutions bietet ein breites Leistungsportfolio für die gesamte Medizinprodukteindustrie. Dazu gehören Zertifizierungen, Dienstleistungen als zugelassene/benannte Stelle und Beratungsdienstleistungen. Zur Erkennung und Vermeidung potenzieller Interessenkonflikte als auch zum Schutz unserer Marke und der Marken unserer Kunden hat UL Solutions Verfahren eingeführt, um potenzielle Interessenkonflikte zu erkennen und zu handhaben. Damit stellen wir die Unparteilichkeit sicher. UL Solutions erbringt keine Beratungsleistungen zu EU MDD, MDR oder IVDD benannten Stellen, UKCA MD zugelassene Stellen sowie MDSAP.

 

 

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